Lied des Milarepa

Ich verneige mich zu Füßen Marpas! Erfülle diesen Bedürftigen mit Deiner Inspiration, dass er nicht mehr an der Wirklichkeit haftet.

Oh weh! Leiden über Leiden! Mein Herz wird schwer, denn immer muss ich an die denken, die unbedacht auf weltliche Dinge bauen. Sie tun fortwährend, was alle Tiefen aller Leiden aufrührt. Für sie Beladene und Schmerzgeplagte, nichts wäre besser für sie, als den Dharma zu üben.

Vajradhara, Gebieter! Essenz Akshobhyas! Erfülle diesen Bedürftigen mit Deiner Inspiration, dass er die Kraft hat für seine Retreats in den Bergen.

Hier in seinem Dorf der Vergänglichkeit und Täuschung hat der Wanderer nur Leiden gefunden. Seltsam scheint das Land um Gungthang, früher die Weide meiner Schafe, nun ist es unter die Herrschaft der Geister geraten. Auch dies ein Beispiel für die Vergänglichkeit aller Täuschung. Für mich eine weitere Mahnung, mich ganz meiner Übung zu widmen.

Das Haus Kashi Dunggye sieht inzwischen aus wie der Oberkiefer eines Löwen. Seine vier Ecken, vier Wände und seine Zinne gleichen heute nur noch Eselsohren. Auch dies ein Beispiel für die Vergänglichkeit aller Täuschung. Für mich eine weitere Mahnung, mich ganz meiner Übung zu widmen.

Im Feld Worma Drusum wuchert das Unkraut. Die Verwandten und der Bruder meines Vaters bekriegen sich wie Feinde in der Schlacht. Auch dies ein Beispiel für die Vergänglichkeit aller Täuschung. Für mich eine weitere Mahnung, mich ganz meiner Übung zu widmen. Mein teurer Vater, Mila Shergyäl, von ihm ist keine Spur geblieben. Meine geliebte Mutter, Nyangtsa Kargyen, ist jetzt nur ein Skelett. Auch dies ein Beispiel für die Vergänglichkeit aller Täuschung. Für mich eine weitere Mahnung, mich ganz meiner Übung zu widmen.

Unser Priester, Könchok Lhabum, muss sich als Knecht verdingen. Die Dharma-Schrift, unser Ratnakutasutra, dient Mäusen und Vögeln als Nest. Auch dies ein Beispiel für die Vergänglichkeit aller Täuschung. Für mich eine weitere Mahnung, mich ganz meiner Übung zu widmen.

Mein Nachbar, Onkel Yunggyäl, teilt sein Leben mit üblen Feinden. Meine Schwester, Peta Gönkyi, keiner weiß, wo sie jetzt ist. Auch dies ein Beispiel für die Vergänglichkeit aller Täuschung. Für mich eine weitere Mahnung, mich ganz meiner Übung zu widmen.

Vajradhara, Gebieter! Essenz Akshobhyas! Erfülle diesen Bedürftigen mit Deiner Inspiration, dass er die Kraft hat für seine Retreats in den Bergen.

Text und Foto aus dem Buch: Verrückte Weisheit. Leben und Lehre Milarepas. Hrg: Joss Bachhofer. Edition Schangrila 1986. Das Werk ist leider nicht mehr im Buchhandel erhältlich.