Es sind die Kinder und Jugendlichen, die seiner Bitte nachkommen, ihn als Mit- und nicht als Übermenschen zu betrachten: Als der Dalai Lama niesen muss, verharren die erwachsenen Gäste im Raum. Aus Ehrfurcht oder Angst vor einem Fauxpas schweigen sie. Nur die Kinder und Jugendlichen sagen munter «Tashi Delek» – Gesundheit! Spätestens jetzt zeigt sich der Dalai Lama, wie man ihn aus den Medien kennt: mit einem herzhaften Lachen.

70 Kinder und Jugendliche und ebenso viele Erwachsene erlebten den Dalai Lama gestern so nahe, wie das nur wenige je können. Und doch wirkte er allen vertraut, als er den Kultraum des Tibet-Instituts in Rikon betrat; gibt es doch kaum eine emigrierte tibetische Familie, bei der zu Hause kein Altar mit seinem Abbild steht. (In Tibet sind Bilder des Dalai Lamas verboten.) Und doch – oder gerade deshalb – löst er in persona unbeschreibliche Glücksgefühle aus, sind sich Tibeter einig.

Der 77-Jährige selbst gab sich gewohnt bescheiden und dankte allen, die sich für das Kloster seit dessen Gründung 1968 einsetzen. «Ein Kloster ist eine Stätte des Lehrens und Lernens», sagte er, und begrüsste dar­um die Buddhismus-Workshops für junge Tibeter, die Stiftungsrätin Karma Lobsang ins Leben gerufen hatte.

Die Jungen erinnerte er derweil: «Der Buddhismus ist ein wichtiger Bestandteil unserer Identität und birgt wertvolles Wissen.» Sogar bei Experten der Naturwissenschaften wachse das Interesse am Buddhismus: «Denn genau so wichtig wie der äussere Kosmos ist der innere. Diesen können sich Wissenschafter aber nicht erklären, weshalb sie vermehrt im Buddhismus nach neuen Ansätzen suchen.» Wie zuletzt am Wochenende in seiner Unterweisung in Fribourg plädierte er deshalb für die «säkulare Ethik», die das Wissen aus allen Religionen nichtgläubigen Menschen zugänglich macht. «Zum Beispiel ist es wissenschaftlich erwiesen, dass sich Meditieren positiv auf den Körper auswirkt. Ein gesunder Geist bringt körperliche Gesundheit.»

Anschliessend beantwortete der Dalai Lama vorgängig eingereichte Fragen von jungen Tibetern. Ein Auszug:

  • Ist Mitgefühl das Wichtigste, das ich über Buddhismus lernen soll?
    «Wenn die Frage lautete, was man lernen soll, würde ich sagen: alles. Doch grundsätzlich lassen sich ja drei Gebiete des Buddhismus unterscheiden: Wissenschaft, Philosophie und Religion. Die ersten beiden halte ich für wichtiger. Rituale wie Maskentänze haben auf einer tieferen Ebene nichts mit Buddhismus zu tun.»
  • Wie sind bei einem Konflikt Lösungen zu erreichen, die für alle fair sind?
    «Menschen mit anderen Bedürfnissen haben andere Meinungen – das gilt es anzuerkennen. Deshalb bringt es nichts, auf einer Meinung zu beharren. Wir müssen das Leiden akzeptieren. Und auf die Wut anderer nicht wütend reagieren, sondern deeskalierend.»
  • Wieso gibt es Wiedergeburt?
    «Bewusstsein entsteht nicht aus nichts. Gemäss dem Kausalitätsprinzip sind Ursache und Wirkung immer ähnlicher Natur. Dar­um kann Bewusstsein nicht aus substanzieller Materie hervorgehen, sondern nur aus Bewusstsein.»

Den jungen Tibetern gab der Dalai Lama abschliessend zwei Dinge mit auf den Weg. Zum einen ein Zitat Buddhas: «Ihr sollt meine Worte nicht blind aufnehmen, sondern selbst prüfen und erfahren.» Zum anderen – und zur Freude der Kinder – eine Riesen-Toblerone, die er tags zuvor erhalten hatte.

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